Vor dem Vergnügen stand aber zuerst einmal ein Berg Probleme, wollte ich doch nicht mit leeren Händen ins Mekka des Raketenmodellbaus reisen. Und die kleinste meiner Raketen sollte es auch nicht sein, ich wollte bei den lieben amerikanischen High-Power Piloten keine Heiterkeitsausbrüche über das "niedliche Modell" provozieren. Durch Optimierung meiner Transportkiste für High Power Raketen gelang es mir, bis auf wenige Zentimeter an das von der American Airlines angegebene Maximalmass heranzukommen und mehrere Telefongespräche mit den Verantwortlichen führten schliesslich zu grünem Licht für den Transport dieser Kiste. Und wenn der Chef persönlich "OK" sagt, dann wird’s ja stimmen... | Denkste! Beim Check-In, welches ich am Vorabend hinter mich brachte, stellte man mich vor die Wahl, pro Weg $320 "oversize charge" zu bezahlen oder die Kiste zuhause zu lassen. Ein wesentlich sperrigeres Velo hätte man ohne Aufpreis transportiert! Kein schwieriger Entscheid, aber einer, den ich mit dem Vorsatz fasste, nie mehr American Airlines zu fliegen! Nun gut, so entfiel wenigstens die Schlepperei und ich kam mit unerwartet handlichem Gepäck nach einer ruhigen, aber unwetterbedingt fast 24 stündigen Reise im gelobten Land der unbegrenzten Möglichkeiten, genauer in Denver, Colorado an. | |
Die Erste Woche war einer "kleinen" Rundreise von etwa 3000km gewidmet, welche mich von Denver über Grand Junction hinunter zum Grand Canyon führte. Endlose Weiten (was für wunderbare Startgelände für Raketen!) wechselten mit wild zerklüfteten Bergformationen und das eine oder andere Bild kommt einem sehr bekannt vor. |
| Offenbar haben auch die Herren von der Fernsehwerbung die herbe Schönheit dieses Gebietes zur Kenntnis genommen. In dieser wilden, trocken-en Landschaft auf einer Höhe von durchwegs fast 2000m fühlt man sich ins letzte Jahrhundert zurück-versetzt und erwartet jeden Moment hinter dem nächsten Hügel John Wayne auftauchen zu sehen. | Die zahllosen National-parks überbieten sich mit den bizarrsten Kombinationen von Farbe und Form in Stein. Colorfull Colorado! Aber alles verblasst neben dem Grand Canyon, einem Anblick welcher sich einfach auf keine Art und Weise in eine Fotokamera packen lässt. | Das muss man einfach von Auge gesehen haben! |
| | Nach einem typischen "japanischen Besuch" des Grand Canyons (aussteigen, knipsen, einsteigen, weiterfahren) musste ich die Kühlerhaube des Autos langsam wieder ostwärts richten, wollte ich rechtzeitig zum LDRS in der 100km westlich von Colorado Springs gelegenen Hochebene von Hartsel eintreffen. | Der Weg führte durch das Monument Valley über Durango hinein in die Rocky Mountains, vorbei an kleinen alten Goldgräber-Städtchen welche glatt in jedem Western-Film durchgehen könnten. Noch heute sieht man die Schutthalden welche zu Goldrausch-Zeiten von den Glücksrittern überall an den bewaldeten Hängen aufgeschüttet wurden. |
Ich kam gut voran und erreichte am Mittwoch Nachmittag, also einen halben Tag zu früh das Gebiet, Gelegenheit für einen ersten Rundblick. Noch immer hing die Schlechtwetterzone, welche bereits die Anreise so stark behindert hatte, über dem Gebiet Denver / Colorado Springs fest und sorgte teilweise für sintflutartige Niederschläge und massive Überschwemmungen, der Wetterbericht liess allerdings auf rechtzeitige Besserung hoffen. Statt Raketenbauern fand ich zuerst einmal eine riesige Büffelherde, ca. 1000 Tiere, von welcher ich bereits im TRA "High Power Rocketry" Magazin gelesen hatte! Ich war also am rechten Ort! Und tatsächlich machte ich bald eine kleine Gruppe aus, welche sich trotz leichtem Nieselregen und steifer Brise daran machte, das Startgelände für die anderntags erwarteten Besucher und Raketenpiloten einzurichten. Eine gute Gelegenheit also, einige der "Macher" in der Tripoli Rocketry Association (TRA) persönlich kennenzulernen und gleichzeitig mir ein gutes Bild von der Infrastruktur und Organisation des LDRS Startgeländes zu machen. So beteiligte ich mich tatkräftig an den Aufbauarbeiten und lernte dabei einige ganz herausragende Persönlichkeiten kennen, allen voran Sue McMurray, von allen nur "Rocket Mam" gerufen, eine ehemalige Entwicklungsingenieurin von Lockheed, welche nach der Baby-Pause eine neue Herausforderung gesucht und im High Power Raketenmodellbau gefunden hatte. Wie bestellt weckte mich am anderen Morgen die Sonne! Also nichts wie raus aus dem Motel und rüber ins nächste Dorf... das heisst etwa 50km fahren. Es ist eben alles EIN WENIG weitläufiger in den USA. | Und da waren sie, die "verrückten Amis"! Von allen Seiten trafen Autos ein, die meisten mit Anhängern, einige sogar mit gemieteten Lieferwagen um genügend Platz für ihre Raketen zu haben und bereits am ersten Vormittag standen sie Schlange um Ihre Raketen in den blaue Himmel zu schiessen. | Man fing aber auch in den USA zum Aufwärmen "klein" an... nur verstehen die etwas anderes unter klein als wir hierzulande. Am ersten Tag wurden sehr viele Raketen mit Triebwerken zwischen "G" und "I" geflogen, aber kein einziges dieser Ungetüme mit den unglaublichen "M" oder "N" Triebwerken auf welche ich so gespannt war. Das änderte sich jedoch am anderen Tag und ich muss sagen: Wer das einmal gesehen (und gehört!) hat, der kommt davon nicht mehr los! Die Erde bebt schier, wenn diese Motoren zünden, und es ist ein imposanter Anblick, wenn eine mehrere Meter lange, zig Kilo schwere Rakete auf einem 6 Meter langen Feuer- und Rauchschweif in den Himmel steigt... Es wurden Modelle vorbereitet, darunter einige wirkliche Meisterwerke, wie zum Beispiel diese wunderschöne "Black Brant II", angetrieben von einem Aerotech M1939 Triebwerk mit ca. 250kp Schub! |
| | Dieses Modell wurde leider am Fallschirm hängend vom Wind so weit abgetrieben, dass es nicht wieder gefunden werden konnte. Hier zeigte sich indirekt einmal mehr der Nutzen eines höhenmessergesteuerten zweistufigen Bergungssystems, welches auch diesen Verlust hätte verhindern können. | Ein Highlight war sicher Lanie Cross’ Scale-Modell einer "X15". Mit einem Aerotech J800 befeuert lieferte das Modell einen perfekten Jungfern-flug mit erfolgreicher Bergung am Fallschirm was zusammen mit der bestandenen Theorie-prüfung zu Pyrotechnik, Aerodynamik und Luft-fahrtvorschriften eine erfolgreich bestandene Tripoli Level 2 Zertifizierung ergab. Gratulation und Welcome to High Power! |
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Die Zusammenarbeit zwischen dem Tower in Denver und dem Launch Control Officer funktionierte bestens, immer wieder durfte der LCO nach Funkkontakt und Freigabe durch die Air Traffic Control ein Startfenster für grosse Höhen, das heisst in diesem Fall statt 10'000 ft bis auf 18'000 ft (6’000m!) freigeben, obwohl wir uns direkt im Anflugbereich von Denver befanden. Und es gab einige Starts welche dieses Fenster voll ausnützten! Interessant war auch der Gang durch die Gasse der Hersteller-Zelte wo man Leuten wie Gary Rosenfield, dem Besitzer und technischen Leiter von Aerotech oder Frank Uroda von Public Missiles begegnen konnte. | Mit Scott Bartel von BlackSky Research gab es ein Widersehen, wir waren uns schon in England beim Raketenfliegen begegnet und auch Rolf Orell aus Schweden war mit seiner Tochter angereist, welche hier gerade eine Aerotech Cheetah zum Start vorbereitet. | |
Amerikanisch war auch die Distanz zum Hotel, in welchem die Raketen-Meute offiziell untergebracht war. Das Sheraton Hotel in Colorado Springs war 100km Gebirgsstrasse vom Startplatz entfernt! Da abends in den Konferenzsälen des Hotels diverse sehr interessante und lehrreiche Veranstaltungen stattfanden, nahm man die zwei Mal 100km täglich eben in Kauf. Vom Vortrag über die richtige Plazierung von Höhenmessern und deren Static Ports bis hin zur praktischen Vorführung wie man eine Raketenoberfläche schnell und sauber mit einer Glasfasergewebeschicht verstärkt reichte das Kursangebot. Den Abschluss fand der viertägige Event in einem grossen Bankett im Sheraton mit anschliessender Generalversammlung und einer Tombola. |